Interview Victor Schmid (2020)

Wann haben Sie zum letzten Mal «Klartext» gesprochen? Und warum?

Den Begriff ‚Klartext‘ benutze ich nie, nicht für mich, nicht für andere. Stattdessen ist ‚Klarheit‘ für mich ein wichtiger, positiver Begriff. Ich will klar sein und ich will – wenn ich mich ausdrücke – versuchen etwas zu klären. Etwas klären, heisst erstmal etwas für mich selbst zu klären, statt ‘erklären’ was heisst, jemanden anderen etwas erklären. Meine Aufgabe, mein Problem, meine Mission ist deshalb, selbst klar zu sein. Ich mache den Unterschied zwischen ‘Klartext’ und ‘Schönreden’ nicht, er produziert nichts. Diese beiden Begriffe gegenüber zu stellen ist steril, weil es auf einem Konsens beruht, der aber nicht produktiv ist, er beruht auf blosser Dialektik. Deshalb will ich – ich sage nicht, dass mir das gelingt – immer klar sein. Etwas was klar ist, ist immer auch schön.

 

So wie ich Sie auf Ihrer Robert Walser Skulptur in Biel erlebt habe, setzen Sie Kommunikation in jeder denkbaren Form – von plakativen Beschreiben von Wänden, von Videostreams über Schaukästen bis zu täglichen Vorträgen, ununterbrochenen Lesungen usw. als Mittel der Auseinandersetzung sehr direkt ein. Was ist für Sie erfolgreiche Kommunikation?

Die “Robert Walser-Sculpture” ist ein Kunstwerk, und wie alle Kunstwerke ist es eine Form an sich. Das heisst, dass diese Form alle Elemente besitzt und alle Energie hat um in Kontakt, von eins zu eins, mit dem Publikum zu treten. Ich denke das ist es, diese Energie ist es, was Sie ‘Kommunikation’ nennen. Die Präsenz eines Kunstwerks, besonders im öffentlichen Raum, ist per se schon Kommunikation. Die Schaukästen, die andauernde Lesung, die Vorträge, die Gespräche, die Diskussionen, die Beschriftungen an den Wänden, die vor Ort produzierte Tageszeitung, die vor Ort entstandenene Texte sind keine ‘Kommunikation’ sondern sie gehören zu den Elementen und den Energien, die der “Robert Walser-Sculpture” ihre Form geben. Die Form der “Robert Walser-Sculpture” mag Ihnen also ‘kommunikativ’ erscheinen – ich habe nichts dagegen – das Ziel der “Robert Walser-Sculpture” aber – das ist, was für mich zählt – ist: Begegnung schaffen, Kontakte erzeugen, Inklusion von allen provozieren, Diskussion ermöglichen, Konfrontation nicht ausschliessen, Dialog schöpfen, Behauptung aufstellen, Ausstausch unter allen fördern. Das Ziel des Kunstwerks ist nicht ‘Kommunikation’, ein Kunstwerk braucht eine Dynamik, es braucht Energie, um zu Strahlen und zu Leuchten, es muss so stark und dazu in alle Richtungen strahlen damit es jede/n implizieren kann. Für mich ist deshalb jenes  Kunstwerk erfolgreich, das mich – als Teil des Publikums – impliziert. Man kann dann von ‚Gelingen‘ reden, wenn ein Kunstwerk direkt – ohne Vermittlung, ohne Kommunikation und ohne Information – jemanden einbeziehen kann. Das Kunstwerk ist dann erfolgreich, wenn es mich zu seinem Inhalt macht.

 

Hat Kommunikation für Sie eine pädagogische Zielsetzung?

Die wichtigste pädagogische Frage ist: “Wo stehst Du? Was willst Du?” Auf diese Frage muss ich – der Künstler – eine Antwort geben. Wenn ich auf diese Frage antworte, dann nicht um jemanden zu belehren oder zu ‘überzeugen’, noch weniger um mich zu rechtfertigen – ich selbst will nicht belehrt werden – sondern ich will wissen welchen Standpunkt jemand anderes vertritt und ich will wissen was er/was sie will. Das ist der emanzipatorische Ansatz einer Kommunikation die mich interessiert, er heisst: Meine Position klären und zu sagen was ich – mit meiner Kunst – will. Als Künstler weiss ich, dass Kunst nie belehrt, sich nie rechtfertigt, sondern eine Herausforderung darstellt. Ein Kunstwerk behauptet. Es behauptet etwas Neues, etwas was ich mir nicht vorstellen konnte, etwas was ich nicht wissen wollte, etwas was ich nicht sehen wollte. Ich denke zum Beispiel an Pablo Picasso’s Bild “Les Demoiselles d’Avignon”.

 

Wie beurteilen Sie die Kommunikation von Politikern, Unternehmensführern, Wissenschaftern? Oder anders gefragt: Sprechen die Klartext?

Oft höre ich nur Kommentare oder Argumente statt Behauptungen, Ideen, Pläne oder Gedanken. Ich bin interessiert was Philosoph/innen, Poeten/innen,  Wissenschafter/innen,  Künstler/innen denken und zu sagen haben und es interessiert mich ebenfalls, wie sie ihre Gedanken und Ideen ausdrücken. Es geht nicht darum ob diese Kommunikationen ‘ideal’ oder ‘optimal’ sind, vielmehr interessiert mich ihre Kompetenz. ‚Kompetenz’ ist ebenfalls ein positiver Begriff für mich, denn wenn ich bei jemandem, einer Ärztin, einem Taxifahrer, einer Buchhändlerin, einem Arbeitslosen in irgendeiner Form – ich insistiere auf das ‘irgendeine’ dieser Form – zur Überzeugung gelange, dass es da eine Kompetenz gibt hat das immer etwas Genuines. Das Schöne daran kommt davon, dass ‘Kompetenz’ vom Eigenen ausgeht und gleichzeitig von einer absoluten Kompetenz, es ist das Zusammentreffen (competentia) vom Eigenen und vom Absoluten.

 

Künstler kommunizieren ja oft sehr ungern über ihre Kunst. Warum?

Das ist ein Klischee, ich glaube das trifft nicht zu. Es gibt natürlich den alten, etwas dürftigen und faulen Ansatz: ‘Kunst braucht sich nicht zu Erklären’. Aber heute ist es vielmehr so, dass Künstler/innen – fast ausnahmslos – die besten ‘Erheller/innen’ ihrer eigenen Arbeit sind. Mindestens ist das meine Erfahrung. Ich höre und lese immer gerne wenn Künstler/innen über oder zu ihrer Arbeit reden oder schreiben. Es ist immer anders, immer verschieden und es ergibt sich immer die Chance – über die Ästhetik des Gesagten hinaus –  Einblick in eine Arbeit zu erhalten, ein neues, anderes Licht darauf zu lenken. Natürlich muss ich dabei aufmerksam, wach und sensibel sein, denn es braucht in der Kunst keine ‘pflegeleichte oder schonende Kommunikation’ und kein ‚Schönreden‘. Es braucht auch in der Kunst nur Kompetenz.

 

Was muss Kommunikation heute leisten? Wie sieht sie idealerweise aus? Insbesondere in der Ansprache der breiten Bevölkerung bzw. von verschiedenartigsten Zielgruppen?

Jede Kommunikation die einen Standpunkt klärt, die eine Haltung offenbart ist sinnvoll. Denn wenn ich etwas zu sagen habe und wenn ich darüber reden will, dann doch nur weil ich für etwas kompetent bin und weil mir das wiederum die Kompetenz gibt dies zu kommunizieren. Wofür ich demnach kompetent bin muss zählen, nicht die Kommunikation darüber. Das mag trivial klingen – was es auch ist, aber es ist nicht nur trivial, es ist auch hyperkomplex. Es geht nämlich darum kompetent zu sein in seiner Arbeit, mit seiner Aufgabe, durch seine Mission. Denn wenn ich absolute Kompetenz besitze ist es einfach, über diese Kompetenz zu reden oder zu schreiben. Statt sich also Fragen nach der ‘richtigen’ oder der ‘idealen Kommunikation’ zu stellen, fragen wir uns: Wofür bin kompetent? Richtungsweisend ist, dass ich nie von einer Zielgruppe oder von der sogenannten ‘breiten Bevölkerung’ ausgehe, mit welchen Recht? Es ist vielmenhr wichtig von sich auszugehen, im Sinne von etwas mitteilen, seine Kompetenz teilen. Dann könnte ‘Kommunikation’ heissen, eine ‘Kompetenz teilen’.

 

Wie können Menschen mit Kommunikation erreicht werden? Was sind die wichtigen Faktoren dazu? Bzw: wie erreichen Sie Menschen?

Durch Kompetenz für etwas, durch meine eigene, und durch die Kompetenz jedes Einzelnen, zum Beispiel die Kompetenzen der an der „Robert-Walser-Sculpture“ Beteiligten und durch Inklusivität, durch Engagement und durch Glaubwürdigkeit.

 

Wer spricht heute Klartext? Und wer nicht….? Warum nicht?

Wer, für mich, Klarheit schafft – heute, wie gestern ist: Simone Weil in “Schwerkraft und Gnade” weil sie radikal und singulär ist oder Jörg Immendorff in “Tun was zu tun ist” weil er stark und verletzlich ist oder Andy Warhol in seinem „Diary“ weil er ehrlich und inspiriert ist. Jede/r für sich hatte ‘gestern’ etwas zu sagen, das ist der Grund dafür, dass Ihre Lektüre auch ‘heute’ zählt. Als Beispiel für wunderbare Klarheit ‘heute’: Catherine Malabou’s Text „In die Quarantäne aus der Quarantäne“ oder Jean-Luc Nancys Video „Liberté“, beide während dem ‚Lock-Down‘ erschienen. Ich glaube, dass wer etwas klären will für sich – und dieses ‘klären’ mit anderen teilt – dem/der wird zugehört, der/die wird gelesen. Derjenige der kommuniziert um etwas zu verkaufen klärt nichts.

 

Ist Schönreden nicht auch eine Kunst? Hat sie nicht auch schöne Vorteile? Muss man immer Klartext sprechen?

‘Schönreden’ interessiert mich nicht, ich glaube nicht an die Gegenüberstellung ‘Schönrederei’ versus ‘Klartext’, denn sie produziert nichts. Sie ist unproduktiv, sie bringt nichts, ich schlage vor die beiden Begriffe ‚Schönreden und Klartext‘ nicht mehr zu benutzen, sie sind überholt. ‚Schönrederei‘ zwingt nicht zum Nachdenken und sie beruht auf keiner Entscheidung, deshalb ist etwas besser darzustellen als es in Wirklichkeit ist, langweilig, angestrengt, kleinlich, reduzierend und vorallem humorlos. Von einer Niederlage berichten oder über einen Misserfolg erzählen kann dagegen bereichernd und humorvoll sein.

 

Kunst/Kultur haben ja immer wieder gezeigt, dass es konstruktive und dekonstruktive Phasen/Entwicklungen gab. Mal wurde bewusst heile Welt dargestellt, mal halten Künstler der Welt einen sehr kritischen Spiegel vor. Was ist die kommunikative Rolle der Kunst?

Kunst ist – und ich spreche immer nur von Kunst, nie von „Kultur“ – mehr denn je –  ein Werkzeug. Ein Werkzeug um sich mit der Welt, in der wir leben, auseinanderzusetzen, um sich mit der Zeit, in der wir sind, zu konfrontieren und um sich der Realität,  die uns umgibt, zu stellen. Kunst muss ein Werkzeug sein und sie kann auch eine Waffe sein, ich denke – als Beispiel – an den einzigartigen “Meret Oppenheim-Brunnen” in Bern. Dieses Kunstwerk fordert uns heraus, räumlich, zeitlich, sinnlich, weil es aktiv ist, weil es sich stândig verändert, weil es arbeitetet und weil es – buchstäblich – arbeiten lässt.

 

Was sind Ihre Erfolgsrezepte / Erfolgsfaktoren für optimale Kommunikation in einer Gesellschaft? In einem Unternehmen? intern und extern? Was erwartet die Gesellschaft für eine Kommunikation?

Zu einer, so denke ich, gelungenen ‘internen Kommunikation’: In meinem Atelier – ich arbeite normalerweise mit sechs Assistent/innen – mache ich jeden Tag, wenn ich vor Ort bin, zwei kurze ‘Briefings/Debriefings’. Jeweils Morgens und Abends. Damit will ich erreichen, dass alle immer über alles informiert sind. Alle müssen immer alles – was meine Arbeit angeht – wissen, auch wenn sie nicht konkret daran arbeiten. Ich will, dass alle meine Assistent/innen immer alle Informationen zu meiner Arbeit haben und über alle Probleme (finanzielle, terminliche, organisatorische, künstlerische) Bescheid wissen. Diese interne Kommunikation ist hilfreich, denn wir sind eine ‚Equipe‘, alle müssen alles wissen und auch können, ich will nicht mit ‚Spezialisten/innen‘ arbeiten. Ansonsten kann ich – beim besten Willen – von keinem Erfolg berichten bezüglich meinen Klärungsversuchen was meine Kunst betrifft, ich habe aber immer – ganz von Anfang an – über oder zu meiner Arbeit geschrieben. Ich bin weit davon enfernt, es ein Rezept zu nennen, aber selbst zu schreiben war und ist für meine Arbeit förderlich. Ich schreibe aus 10 Gründen: 1. Ich schreibe weil ich meine Arbeit – Kunst – mache, weil ich dafür Kompetent bin, ich schreibe nur wegen meiner Arbeit. 2. Ich schreibe weil ich – wie jede/r – schreiben kann, ich schreibe mit meinen Worten. 3. Ich schreibe weil ich im schreiben einen Akt der Gleichheit sehe, ich richte mich an den Andern, meinen Nächsten, meine Mutter, den/die Unbekannte/n, diejenige/denjenigen, der/die sich für meine Arbeit interessiert oder auch nicht, zu schreiben hat etwas Universelles. 4. Ich schreibe weil es mir ermöglicht Dinge – durchs schreiben – zu fixieren, schreiben ist eine Setzung. 5. Ich schreibe weil ich etwas klären will, weil ich Klarheit – für mich – schaffen will, zu schreiben ist keine Erklärung und keine Rechtfertigung. 6. Ich schreibe weil es einfach ist zu schreiben, es ist einfach und gleichzeitig ist es – in seiner Einfachheit – ein Engagement, ein Standpunkt, ein Versprechen, ein Urteil. 7. Ich schreibe weil es eine Behauptung ist, eine reine Behauptung. 8. Ich schreibe weil ich insistieren will, weeil ich mich wiederholen will, immer wieder will ich wiederholen was mir wichtig ist und was für mich zählt. 9. Ich schreibe weil ich damit meine eigenen Begriffe verwenden und prägen kann, ich kann meine Begriffe benutzen sie präzisieren, so wie ich sie sehe und denke, ich muss dadurch nicht die Begriffe anderer – wie in es in der Kunstkritik oft vorkommt – übernehmen. 10. Ich schreibe weil ich – mitten im Sturm der Meinungen, der Kritiken und der Kommentare – ebenfalls Zeuge bin und Zeugnis ablegen kann.

 

Die Corona-Krise hat gezeigt, dass Medien gerade in solchen Phasen wieder sehr wichtig sind, aber dass sie heute weitgehend elektronisch funktionieren. Wie erleben Sie die Medien inkl. aller neuer Formen davon (social media) und wie gehen Sie damit um?

Wie so viele – so habe auch ich mich – während der Wochen der ‘Covid-19’-Krise dem ‘Kontinuitäts-Dogma der Distanz-Technologien’ gebeugt. Ich gebe es gerne zu und es hat auch teilweise Spass gemacht, nur wäre es nun ein Fehler in diese dumme und plumpe – aber auch verlockende – Falle der ‘Distanz-Technologien’ zu treten. Es wäre ein Fehler, weil ‘virtuelle Ausstellungen’, ‘virtuelle Kunstwerke’, ‘virtuelles Lernen’, ‘virtueller Ausstausch’, ‘virtuelle Kommunikation’ immer nur Scheinlösungen oder Ausreden sind, die umso gefährlicher werden können, weil sie vom Staat gewünscht, gefördert oder sogar verlangt werden. Ich habe keine Probleme mit ‘Social Media’, ich benutze sie auch, was aber zählt dabei ist – mit oder ohne diese Medien – meine Entscheidung, dass mein Werzeug die Kunst ist, dass meine Technik die Collage ist und dass meine Aesthetik prekär ist.

 

Fake-News ist ja eine neue Form von Schönreden. Man stellt Dinge so dar, wie man sie haben will. Sehen Sie eine Gegenbewegung zu Fake-News und Propaganda?

Ich habe keine Probleme mit ‘Fakenews’, ebensowenig wie ich keine Vorbehalte gegenüber ‘News’ habe, sind es doch Begriffe unserer Tatsachenwelt. Ich nehme Tatsachen, Fakten – auch falsch dargestellte Fakten – wahr, aber ich weiss auch immer, dass eine Tatsache nichts als eine Tatsache ist. Den Begriff ‘Wahrheit’ hingegen nehme ich ernst und ich will ihn hochhalten. Kunst ist etwas Wahres, ein Kunstwerk kann ‘Wahrheit’ sein, ich denke zum Beispiel an ein Bild von Piet Mondrian oder ich denke an Robert Walser’s Roman “Geschwister Tanner” – damit wurde ‚Wahrheit‘ geschaffen. Wahrheit ist etwas anders als die Nachprüfung einer Tatsache oder das Herausfinden der Differenz zwischen ‘Fakenews’ und ‘News’. Wahrheit besteht an sich, es ist eine Form, es ist immer eine Setzung.

 

Wie sehen die Medien der Zukunft aus? Oder wie würden Sie sie gerne haben?

Die Zukunft gehört der Kunst und alle Medien, die Kunst ernst nehmen, sind Medien der Zukunft. Ich muss – als Künstler – dabei aber zeigen und vorleben warum Kunst notwendig ist, warum sie für mich notwendig ist aber auch warum sie für den Anderen notwendig ist. Der toxische Begriff “Social Distancing” – ich zweifle dabei nicht an seiner zeitlich begrenzten Nützlichkeit – darf auf keinen Fall zum neuen Paradigma für das Zusammenleben in der Welt werden, auch nicht in der Kunstwelt . Es geht hier nicht darum, die Bedrohung von ‘Covid-19’ zu ignorieren, es geht – im Gegenteil – darum, sie ernst zu nehmen, sie als Warnung, als Test, als Herausforderung zu verstehen. Ich denke, dass unmittelbare Begegnung, Austausch, direkte Nachbarschaft, Auseinandersetzung,  Freiheit, auch die in der Unfreiheit,  Inklusivität, Multiplizität, Solidarität, Gleichheit, Kreativität Begriffe sind, die wichtiger sind den je, denn gerade sie wurden durch das erzwungene “Social Distancing” in Frage gestellt. Es ist dringend daran zu arbeiten und zu zeigen, dass Kunst – weil es Kunst ist – eins zu eins und auf Augenhöhe einen Dialog oder eine Konfrontation erzeugen kann, denn Kunst ist immer eine Erfahrung. Hier hat die Künstlerin/der Künstler eine entscheidende Rolle zu uebernehmen und Begriffen wie ‚Distanz‘, ‚Kontrolle‘, ‚Soziale Kontrolle‘, ‚Eingrenzung‘, ‚Absicherung‘, ‚Garantie‘, ‚Überwachung‘, ‚Repression‘, ‚Exklusivität‘ muss Widerstand geleistet werden um opportunistischen, konsumeristischen und ausgrenzenden Tendenzen – die es immer auch in der Kunstwelt gab – zu bekämpfen.

 

Die Krise hat gezeigt, dass unsere Gesellschaft schlecht umgehen kann mit etwas, das im bisherigen Erfahrungsschatz nicht vorhanden ist. Hat Kunst eine Antwort für verunsicherte Menschen? Oder ist Kunst eben gerade dazu da, Menschen zu lehren, mit Unsicherheiten zu leben?

Kunst gibt keine Antwort, aber sie stellt grundsätzliche Fragen, nach dem Unbekannten, dem Neuen, dem Unsicheren. Kunst ist dazu da, eine Plattform für das Ungewisse, das Andere, das Prekäre aufzubauen und Kunst lädt uns ein, uns auf dieser Plattform zu bewegegen, uns damit zu konfrontieren und auseinanderzusetzen und den Umgang mit dem Unheimlichen, dem Nicht-Garantierten, dem, was uns Angst macht zu riskieren. Es geht darum, Kunst – mehr den je – als Werkzeug zu verstehen, um uns mit der Welt – in der wir leben – auseinanderzusetzen, um uns mit der Zeit – in der wir sind – zu konfrontieren und um uns der Realität – die uns umgibt – zu stellen. Deshalb ist Kunst – als Kunst – immer widerständig. Kunst widersteht politischen, ökonomischen, kulturellen und ästhetischen Gewohnheiten. Kunst widersteht dabei nicht etwa bestimmten Tatsachen, sondern Kunst ist – weil es Kunst ist – Widerstand an sich.

 

Haben Sie eine persönliche Erfahrung oder eine Geschichte, die Ihnen in den Sinn kommt zum Thema Kommunikation?

Ich habe die Erfahrung – besonders mit und durch meine Arbeiten im öffentlichen Raum – gemacht, dass alle Menschen eine Idee zum Thema ‚Kunst‘ haben. Ich habe erfahren, dass jeder Mensch etwas mit dem Begriff ‘Kunst’ anfangen kann. Jeder Mensch – jenseits eines Einverständnisses und jenseits von Gutheissung – hat einen Ort, hat Zeit für Kunst. Jeder Mensch braucht Kunst und jeder Mensch – so meine Erfahrung – ist bereit die Notwendigkeit ‚Kunst‚ zu teilen, und dass man mit jedem Menschen auf der Welt über Kunst reden kann, das ist das Schöne.